Ob Implantat, Infusionsgerät oder Inhalator – Medizinprodukte sind aus der modernen Gesundheitsversorgung nicht mehr wegzudenken. Damit diese Produkte sicher und korrekt angewendet werden können, ist eine konforme Gebrauchsanweisung für Medizinprodukte unerlässlich. Sie informiert Ärzte, Pflegepersonal und Patienten über die sachgemäße Anwendung, mögliche Risiken und wichtige Hinweise zur Aufbereitung oder Entsorgung.
Mit Inkrafttreten der europäischen Medical Device Regulation (MDR) wurden die Anforderungen an Gebrauchsanweisungen für Medizinprodukte deutlich verschärft. Neben umfangreicheren Pflichtinhalten rücken auch Aspekte wie Sprache, Format und Barrierefreiheit stärker in den Fokus. In diesem Beitrag zeigen wir, was Hersteller bei der Erstellung von Gebrauchsanweisungen beachten müssen, welche Inhalte gefordert sind und warum IFUs (Instructions for Use) nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern ein zentraler Baustein für die Patientensicherheit sind.

Was ist eine Gebrauchsanweisung für Medizinprodukte?
Die Gebrauchsanweisung – im regulatorischen Kontext häufig als Instructions for Use (IFU) bezeichnet – ist ein technisches Dokument, das einem Medizinprodukt entweder in gedruckter Form beiliegt oder digital zur Verfügung gestellt wird. Je nach Branche oder Zielgruppe wird sie auch als Bedienungsanleitung, Handbuch, User Guide oder Operation Manual bezeichnet. Unabhängig vom Begriff bleibt das Ziel dasselbe: Die Anleitung soll den sicheren, sachgemäßen und bestimmungsgemäßen Gebrauch des Produkts gewährleisten.
Gemäß der Medical Device Regulation muss eine Gebrauchsanweisung immer dann bereitgestellt werden, wenn dies zur sicheren Anwendung des Produkts erforderlich ist – sei es für medizinisches Fachpersonal, Endanwender oder Patienten. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein hochkomplexes aktives Medizinprodukt oder ein vermeintlich einfaches Hilfsmittel handelt: Sobald potenzielle Risiken bestehen, ist eine klar strukturierte, gut verständliche und vollständige Gebrauchsanweisung Pflicht.
Im Unterschied zu allgemeinen Bedienungsanleitungen enthalten Gebrauchsanweisungen für Medizinprodukte deutlich mehr sicherheitsrelevante Inhalte. Neben Hinweisen zur Anwendung finden sich darin auch Informationen zu Warnhinweisen, Reinigung, Sterilisation, Lagerung, Haltbarkeit sowie – falls erforderlich – zur sachgemäßen Entsorgung.
Wann ist eine Gebrauchsanweisung verpflichtend?
Die Pflicht zur Bereitstellung einer Gebrauchsanweisung für Medizinprodukte ergibt sich direkt aus der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte (MDR). Demnach muss eine Gebrauchsanweisung dann erstellt werden, wenn sie zur sicheren Anwendung des Produkts notwendig ist. Das betrifft sowohl Produkte für medizinisches Fachpersonal als auch solche, die von Laien verwendet werden.
Grundsätzlich gilt: Je komplexer das Produkt und je höher das Risiko bei unsachgemäßer Anwendung, desto wahrscheinlicher ist die Verpflichtung zur Beilage einer Gebrauchsanweisung.
Die MDR unterscheidet Medizinprodukte in vier Risikoklassen:
- Klasse I (niedriges Risiko)
- Klasse IIa (mittleres Risiko)
- Klasse IIb (erhöhtes Risiko)
- Klasse III (hohes Risiko)
Während bei Produkten der Klasse I unter bestimmten Bedingungen auf eine Gebrauchsanweisung verzichtet werden kann, ist sie für Produkte der Klassen IIa bis III in der Regel verpflichtend. Entscheidend ist dabei stets der Verwendungszweck, wie vom Hersteller definiert, sowie die Komplexität der Handhabung.
Die Pflicht zur IFU gilt nicht nur für Neuprodukte, sondern auch im Rahmen von Re-Labeling, Reprocessing oder bei produktbezogenen Softwarelösungen. Wichtig ist: Auch digitale Medizinprodukte wie Gesundheits-Apps können unter die MDR fallen – und benötigen ggf. eine strukturierte digitale Gebrauchsanweisung.
Inhalte einer Gebrauchsanweisung laut MDR
Die Inhalte einer Gebrauchsanweisung für Medizinprodukte sind in Anhang I, Kapitel III der MDR klar geregelt. Der Hersteller ist verpflichtet, die Gebrauchsanweisung so zu gestalten, dass sie für die jeweilige Zielgruppe verständlich, vollständig und nachvollziehbar ist. Dazu gehören neben den Produktinformationen, wie Name und Produktidentifikationsnummer, sowie Herstellerinformationen, auch weitere Angaben zu:
Produkt- und Herstellerinformationen
- Name oder Handelsname des Medizinprodukts
- Name, eingetragene Marke und vollständige Anschrift des Herstellers
- UDI-Informationen (Unique Device Identification)
- Ausstellungs- oder Überarbeitungsdatum der Gebrauchsanweisung sowie Angabe, wo die aktuelle Version abrufbar ist
Zweckbestimmung und Anwendungsbereich
- Zweckbestimmung des Produkts, einschließlich Anwendungsgebiet, Indikationen und Kontraindikationen
- Angabe der vorgesehenen Patientenzielgruppen und Anwender
- Gegebenenfalls ein Hinweis, ob das Produkt ein Arzneimittel, Derivat menschlichen oder tierischen Ursprungs oder kennzeichnungspflichtige Stoffe enthält (z. B. gemäß Abschnitt 10.4.5 MDR)
Anwendung & Handhabung
- Anleitung zur sicheren Anwendung, inkl. Vorbereitung, Gebrauch, Kalibrierung, ggf. Endmontage
- Gegebenenfalls Hinweise zur Reinigung, Desinfektion, Sterilisation oder Wartung
- Hinweise zur Erstverwendung, Installation oder Prüfung vor Einsatz
- Maßnahmen bei beschädigter Verpackung oder unvollständigem Produkt
- Restrisiken, Warnhinweise, Kontraindikationen und Nebenwirkungen
- Ggf. Hinweise auf klinischen Nutzen oder Link zum Sicherheitsbericht (Artikel 32 MDR)
Wiederverwendung, Einmalprodukte & Lebensdauer
- Hinweis, ob das Produkt für den Einmalgebrauch bestimmt ist – inkl. Risiken bei Wiederverwendung
- Bei wiederverwendbaren Produkten: validierte Verfahren zur Aufbereitung und maximale Wiederverwendungen
- Falls das Produkt nach Herstellerverantwortung wiederaufbereitet werden kann, entsprechender Hinweis
- Angabe zur erwarteten Lebensdauer, speziell bei implantierbaren Produkten
- Informationen zur Materialermüdung oder Gebrauchsdauer
IT-Komponenten & Software
- Bei softwarebasierten Produkten: Mindestanforderungen an Hardware, IT-Netzwerke und Sicherheitsmaßnahmen
- Hinweise für die Auswahl kompatibler Software oder Zubehörteile
Lagerung, Entsorgung & Umwelt
- Lagerbedingungen (Temperatur, Feuchtigkeit etc.)
- Hinweise zur sicheren Entsorgung von Produkt, Zubehör und Verbrauchsmaterialien
- Bei sterilen Produkten: Hinweis auf Sterilität, verwendetes Verfahren, Maßnahmen bei beschädigter Verpackung
Patientenkommunikation & Notfallinformationen
- Hinweise, wann der Anwender eine Fachperson kontaktieren sollte
- Ggf. Angabe zur klinischen Eignung des Produkts für bestimmte Patientengruppen
- Ein Hinweis, dass schwerwiegende Vorkommnisse gemeldet werden müssen (an Hersteller und zuständige Behörde)
Sprach- und Formatvorgaben für Gebrauchsanweisungen
Neben den inhaltlichen Anforderungen stellt die Medical Device Regulation auch klare Vorgaben an Sprache, Gestaltung und Format von Gebrauchsanweisungen für Medizinprodukte. Ziel ist es, eine einheitliche Verständlichkeit, Zugänglichkeit und rechtliche Sicherheit in allen Mitgliedstaaten der EU zu gewährleisten.
Sprache: Landessprache ist Pflicht
Gemäß Artikel 10 Absatz 11 MDR muss die Gebrauchsanweisung in einer oder mehreren für den jeweiligen Mitgliedstaat verständlichen Sprache(n) vorliegen – in Deutschland also in deutscher Sprache. Auch wenn das Produkt primär an medizinisches Fachpersonal adressiert ist, dürfen Inhalte nicht unnötig technisch oder unverständlich formuliert sein.
Bei mehrsprachiger Auslieferung – z. B. innerhalb der EU – muss jede Sprachversion vollständig und gleichwertig vorliegen. Automatisch generierte Übersetzungen (z. B. durch KI) sind nicht zulässig, solange sie nicht durch Fachpersonal geprüft wurden.
Gestaltung und Format: Klar, leserlich, barrierearm
Gebrauchsanweisungen müssen nicht nur verständlich formuliert, sondern auch visuell gut aufbereitet sein. Die MDR verlangt:
- Klare Gliederung mit Überschriften, Absätzen und ggf. Nummerierung
- Ausreichende Schriftgröße und Kontrast
- Verwendung von Symbolen oder Piktogrammen zur Unterstützung der Verständlichkeit
- Barrierearme Gestaltung, z. B. durch einfache Sprache und klare Bildsprache
Insbesondere bei Produkten, die für Laien bestimmt sind, wird empfohlen, die Gebrauchsanweisung durch grafische Elemente wie Schritt-für-Schritt-Bilder, Checklisten oder Diagramme zu ergänzen. Auch eine intuitive Seitenstruktur, logischer Aufbau und der Verzicht auf Fachjargon fördern die sichere Anwendung.
Zugänglichkeit: Digital oder Papier – oder beides?
Die MDR erlaubt es grundsätzlich, Gebrauchsanweisungen in digitaler Form bereitzustellen, sofern die Sicherheit und Zugänglichkeit dadurch nicht beeinträchtigt wird. In vielen Fällen bleibt die Papierform Pflicht – insbesondere bei Produkten für Endverbrauchern. Hersteller dürfen die IFU digital ergänzen, aber nicht ersetzen, wenn dadurch der Zugang erschwert wird.
In jedem Fall muss in der Verpackung ein Hinweis enthalten sein, wo die Gebrauchsanweisung in aktueller Fassung digital abrufbar ist – etwa über einen QR-Code oder eine Webadresse.
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